1917

Halte wach den Haß. Halte wach das Leid.
Brenne weiter am Stahl der Einsamkeit.

Glaub nicht, wenn Du liest auf Deinem Papier,
Ein Mensch ist getötet, er gleicht nicht Dir.

Glaub nicht, wenn Du siehst den entsetzlichen Zug
Einer Mutter, die ihre Kleinen trug

Aus dem rauchenden Kessel der brüllenden Schlacht,
Das Unglück ist nicht von Dir gemacht.

Heran zu den elenden Leichenschein,
Wo aus Fetzen starrt eines Toten Bein.

Bei dem fremden Mann, vom Wurm zernagt,
Falle nieder, Du, sei angeklagt.

Empfange die ungeliebte Qual
Aller Verstoßnen in diesem Mal.

Ein letztes Aug, das am Äther trinkt,
Den Ruf, der in Verdammnis sinkt;

Die brennende Wildnis der schreienden Luft.
Den rohen Stoß in die kalte Gruft.

Wenn etwas in Deiner Seele bebt,
Das dies Grauen überlebt,

So laß es wachsen, auferstehn
Zum Sturm, wenn die Zeiten untergehn.

Tritt mit der Posaune des jüngsten Gerichts
Hervor, o Mensch, aus tobendem Nichts!

Wenn die Schergen Dich schleppen aufs Schafott,
Halte fest die Macht! Vertrau auf Gott:

Daß in der Menschen Mord, Verrat,
Einst wieder leuchte die gute Tat;

Des Herzen Kraft, der Edlen Sinn
Schweb am gestirnten Himmel hin.

Daß die Sonn, die auf Gute und Böse scheint,
Durch soviel Ströme der Welt geweint,

Gepulst durch unser aller Schlag,
Einst wieder strahle gerechten Tag.

Halte wach den Haß. Halte wach das Leid.
Brenne weiter, Flamme! Es naht die Zeit.

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