Ein Liebesbrief

Reiche mir Deine Hand,
Meine geliebte Schwester.
Du streicheltest mein verklebtes Haar
In der Nacht unserer Geburt.
Sahst Du nicht mein gesplittertes Antlitz
In Deinen Händen schreien?
Dein Mund schmeckte bitter,
Als wir uns küssten.
Wir tranken gemeinsam aus blutigen Bechern;
Wir aßen von vergifteten Tafeln.
Ich schrie mein schwärzestes
In Deine blaue Dunkelheit.
Spürtest Du nicht meinen morschen Leib
In Deinen Beinen brechen?
Unsere Schritte versanken im Acker,
Wie meine Rosen in Deinem Blut.
Ich schenkte sie Dir,
Viele von meinen roten Blüten,
Auf deren Blättern der Frost silbern glänzte.
So fällt mir das Sterben manchmal leichter.
Ich stach auch in Deine Tulpe;
In diesen Nächten,
In denen die Leichen tanzten,
Öffnete ich Deinen schillernden Giftkrug.
Lege Deine Arme um meinen kühlen Körper;
Wärme mich mit den Rosen,
Die ich in Dich tauchte.
Doch Du bist nicht mehr bei mir;
Mein Winter ist kalt.
Ich muss im grauen Schnee
Liegen und frieren.
Der grüne Mond ist so fern.
Warte auf mich
Bei den Frühlingswiesen.
Es ist so kalt.

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